22. Dezember 2020
Das Corona-Drama geht in die nächste Runde. Weil das Virus einfach das tut, was es kann, nämlich zu mutieren, ist mal wieder die halbe Welt in Panik geraten. Angetrieben von Virologen, Schlaumeiern und gierigen Klick-Medien, könnte dieser Schnupfen Deutschland und natürlich auch all die anderen Länder nun endgültig lahm legen. Für die Pharmaindustrie jedoch ist die neue Mutation ein Segen, erhöht sie doch den Druck auf die noch impfunwilligen Bürger.
Biontech glaubt an Impfstoff-Wirksamkeit trotz Mutation
Der Chef des Impfstoffentwicklers Biontech, Ugur Sahin, sieht keine Gefahr, dass der am Montag von der EU zugelassene Wirkstoff bei der in Großbritannien aufgetretenen Corona-Mutation nicht wirkt. „Wir haben dafür keine Erkenntnisse. Wir sehen das auch mit einer gewissen Nüchternheit: Es ist nicht das erste Mal, dass diese Mutationen auftreten“, sagte der Wissenschaftler der „Bild“ (Dienstagausgabe).
Es habe in den vergangenen zehn Monaten mehr als 20 verschiedene Mutationen gegeben. Alle seien von Biontech untersucht worden und jedes Mal wurde festgestellt, „dass die Wirkung des Impfstoffs ist dadurch nicht beeinträchtigt“ sei. Sahin weiter: „Die Mutation in England, die jetzt bestimmt worden ist, da werden wir den gleichen Test machen. Das heißt: Wir bauen diese Virusmutation nach und testen dann in den nächsten 14 Tagen, ob Immunantworten die durch unseren Impfstoff induziert worden sind, auch dieses Virus inaktivieren können. Ich halte die Wahrscheinlichkeit für hoch, weil diese Mutationen betreffen ungefähr einen Prozent des Impfantigens.“ Er beruhigt: „Deshalb sind wir zuversichtlich, dass das auch hier funktionieren wird, aber garantieren kann man das nicht. Dementsprechend testen wir das und werden es in 14 Tagen wissen.“
Baden-Württemberg erwägt wegen Mutation schärfere Quarantäneregeln
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl will die Einreise-Quarantäneregeln verschärfen, um die Verbreitung des mutierten Coronavirus zu verlangsamen. „Großzügige Ausnahmen für Reisen aus Deutschland ins Ausland darf es zukünftig nicht mehr geben“, sagte der CDU-Politiker der „Welt“ (Dienstagausgabe). Wer etwa ohne triftigen Grund ins Ausland reist, dürfe nicht mehr von der Quarantänepflicht ausgenommen werden.
Sein bayerischer Kollege Joachim Herrmann (CSU) kündigte unterdessen an, dass die bayerische Polizei „auch in den kommenden Wochen in Abstimmung mit der Bundespolizei im Grenzbereich sowie an Grenzübergängen verstärkt kontrollieren“ werde. Die EU-Kommission müsse zudem umgehend die rechtlichen Voraussetzungen auf den Weg bringen, um von Nicht-EU-Bürgern schon an den EU-Außengrenzen die Vorlage eines aktuellen negativen Testergebnisses zu verlangen, forderte Herrmann. „Die bisher geplante Begrenzung der Maßnahmen allein auf direkte Einreisen, also im Wesentlichen auf den Luftverkehr, wird aus meiner Sicht der Dimension des Problems nicht gerecht“, sagte der bayerische Innenminister der „Welt“.
Auch der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch spricht sich für verstärkte Grenzkontrollen aus. „Solange wir nicht genau wissen, womit wir es bei dem mutierten Virus zu tun haben, bin ich als Vorsichtsmaßnahme für verstärkte Kontrollen an unseren Grenzen“, sagte Grötsch. „Deutsche Staatsbürger und diejenigen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland haben, sollten jedoch nach Vorlage eines negativen Corona-Tests mit ihren Partnern nach Deutschland einreisen können, um zum Beispiel Weihnachten zuhause zu feiern.“
Widerspruch kommt aus der Linksfraktion. „Statt nationaler Alleingänge wäre eine europäische Antwort notwendig – in Abstimmung mit Großbritannien“, sagte die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke der „Welt“. „Der schnelle Ruf nach Grenzschließungen gaukelt eine falsche Sicherheit vor.“
Dreyer und Tschentscher gegen schärfere Regeln wegen Virus-Mutation
Zwei SPD-Regierungschefs sehen in der in Großbritannien aufgetretenen Mutation des Coronavirus keinen Grund für eine Verschärfung des Lockdowns in Deutschland. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte dem „Handelsblatt“ (Dienstagausgabe): „Wir haben zurzeit noch keine fundierten Kenntnisse und auch Virologen raten zur Besonnenheit.“ Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte: „Die Infektionsdynamik ist in Deutschland nach wie vor zu hoch“.
Und weiter: „Das wichtigste Ziel muss daher sein, die Verbreitung der neuen Virusvariante in Deutschland zu verhindern. Deshalb ist es richtig, den Reiseverkehr mit Großbritannien konsequent einzuschränken.“ Die Entwicklung zeige zudem, „wie dringend es war, die frühere unsichere Regelung zu den Einreisetests durch eine konsequente Quarantäne für Auslandsreiserückkehrer einzuführen.“
Tschentscher forderte, nach der nun erfolgten Zulassung des Biontech-Impfstoffes jetzt schnellstmöglich mit den Impfungen in Deutschland beginnen. Ökonomen warnen indes vor den ökonomischen Folgen der Blockadepolitik: „Die Symbolwirkung der Abschottung zum jetzigen Zeitpunkt könnte deutlicher nicht sein, auch wenn sie durch die Pandemie bedingt ist“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest dem „Handelsblatt“.
500.000 Corona-Impfungen in Großbritannien – Tempo nimmt zu
Während die EU am Montag den ersten Corona-Impfstoff zugelassen hat, wird in Großbritannien schon seit knapp zwei Wochen gespritzt, und das nun auch mit zunehmendem Tempo. „Über 500.000 Dosen“ des Biontech/Pfizer-Impfstoffs seien bislang insgesamt verabreicht worden, teilte die Downing Street am Montag nach 13 Tagen Impfungen auf der Insel mit. Binnen der letzten fünf Tagen stieg die Zahl damit um über 72.000 Impfungen pro Tag, in der ersten Woche hatten nur rund 17.000 Menschen täglich ihren Pieks bekommen.
Die nunmehr durchgeführte halbe Million Impfungen bleibt trotz der kräftigen Steigerung hinter mancher Erwartung zurück. 800.000 Impfdosen sollten Großbritannien schon zum Start der Kampagne bereitstehen, hatten Regierungsvertreter der BBC gesagt, und auch Pfizer hatte entsprechende Hoffnung gemacht. Insgesamt hat Großbritannien bei Biontech und Pfizer 40 Millionen Impfdosen bestellt, jeder Impfling soll zwei Einheiten bekommen.
EU-Kommission bestätigt Impfstoff-Zulassung
Die EU-Kommission hat die Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer genehmigt. Das teilte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montagabend mit. Heute werde ein wichtiges Kapital zur europäischen Erfolgsgeschichte hinzugefügt, sagte von der Leyen.
Der Impfstoff werde für alle EU-Länder gleichzeitig und zu den selben Konditionen verfügbar sein, so die Kommissionspräsidentin. Nach Deutschland sollen am 26. Dezember 151.125 Impfdosen geliefert werden, am 28. Dezember 521.625 und am 30. Dezember 672.750, insgesamt in diesem Jahr also noch 1.345.500 Einheiten. In der ersten Woche des neuen Jahres wird die Liefermenge dann aber wohl nur etwa halb so groß sein.
Insgesamt hat die EU bei Biontech und Pfizer 200 Millionen Impfdosen bestellt, die bis September 2021 ausgeliefert werden sollen. Deutschland hat sich allerdings mittlerweile weitere Impfdosen auf eigene Faust besorgt, außerdem sollen weitere Wirkstoffe anderer Hersteller folgen. Erst am Mittag hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) grünes Licht für die Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer gegeben.
Bundeswehr-Sanitäter sollen mit zuerst geimpft werden
Die Bundeswehr rechnet für die erste Impfwelle mit einem Eigenbedarf von 170.000 Impfdosen. Das geht nach Informationen der Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben) aus einem internen Plan des Verteidigungsministeriums hervor. In ihm wird auch die Reihenfolge festgelegt, wer innerhalb der Truppe vorrangig geimpft werden soll.
Zunächst sollen die Soldaten im Sanitätsdienst den Impfstoff erhalten, um die Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Sie sollen im Einsatz sein, wenn es darum geht, die Gesamtbevölkerung zu impfen. Zu dieser Gruppe zählen rund 14.800 Personen.
An zweiter Stelle stehen jene Personen, die „zur Sicherstellung des Gemeinwesens besonders relevant“ sind. Zu diesen circa 38.100 Menschen gehören unter anderem die Kräfte, die sich um die Sicherung des Luftraums und des Seeraums, aber auch um das nationale Krisen- und Risikomanagement kümmern. Danach sollen jene Soldaten an der Reihe sein, die durch Vorerkrankungen wie Asthma oder Diabetes Risikopatienten sind (circa 5.500), ebenso wie betroffene Zivilisten, die für die Bundeswehr arbeiten (circa 14.000 bis 18.000 Personen).
Alle weiteren sollen in einer späteren Phase folgen. Insgesamt geht das Verteidigungsministerium in der ersten Phase von einem Bedarf von 85.000 Impfdosen aus – macht bei zwei notwendigen Impfungen einen Gesamtumfang von 170.000. Um diese große Zahl zügig zu realisieren, will die Bundeswehr eine eigene Impforganisation gründen. Dafür hat das Verteidigungsministerium ein eigenes Impfkontingent beantragt.
Um die bundesweiten Impfungen zu unterstützen, plant die Bundeswehr zudem die Einrichtung von 26 flexibel einsetzbaren Impfzentren sowie bis zu 13 mobilen Impfteams, die vor allem in Pflegeheimen eingesetzt werden sollen. Insgesamt sind dafür bis zu 39 Ärzte, 253 Sanitäter sowie 350 „Helfende Hände“ vorgesehen. Letzteres sind Soldaten, die bei der Abwicklung und der Organisation helfen, etwa Fahr- und Telefondienste übernehmen. Bei voller Auslastung könnten pro Bundeswehr-Impfzentrum etwa 90 Impfungen pro Stunde, pro mobilen Team zwischen zehn und 15 Impfungen pro Stunde durchgeführt werden. Laut Berechnungen des Verteidigungsministeriums könnte allein die Bundeswehr unter optimalen Bedingungen so 18.000 Impfungen täglich vornehmen. (Mit Material von dts)