Von Dr. Florian
StaeckVeröffentlicht: 23.06.2020, 15:48
Uhr
„Das Urteil des BVerfG zur Sterbehilfe ist eine deutliche Kritik an der Politik der Ärztekammern in den letzten Jahrzehnten“, meint Prof. Urban Wiesing. In dieser Episode erklärt der Tübinger Medizinethiker, warum ausgerechnet die Kammern in diesem Punkt gegen die verfassungsgemäße Berufsfreiheit der Ärzte verstoßen und inwieweit der Staat präventiv in die Hilfe zum Suizid eingreifen darf. Und er sagt, welches Gesetz zur Sterbehilfe ihm und seinen Kollegen vorschwebt.
Ende Februar hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung gekippt: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will jetzt regulatorisch nachbessern. Der Tübinger Medizinethiker und -historiker Prof. Urban Wiesing ist sich sicher: Der Staat darf den Schutz vor voreiligen, unvernünftigen und unüberlegten Suizid-Entscheidungen ausüben, aber der Staat hat kein Recht, die Suizidentscheidung seiner Bürger generell abzulehnen.
Wiesing ist Mitglied der Ethikkommission des Weltärztebundes und hat mit drei Kollegen kürzlich der Politik einen Vorschlag zur Neuregelung der Sterbehilfe unterbreitet (siehe untenstehend - nächster Beitrag). Er will Ärzte mit ins Boot bei der Hilfe zur Selbsttötung nehmen – heraus aus der legalen Grauzone.
Berlin. Vier Mediziner und Juristen haben einen aus ihrer Sicht verfassungskonformen Gesetzesvorschlag veröffentlicht, um den assistierten Suizid zu regeln.
Die Professoren Gian Domenico Borasio und Ralf Jox (beide Universität Lausanne) sowie Jochen Taupitz (Heidelberg/Mannheim) und Urban Wiesing (Tübingen) schreiben darin Ärzten eine maßgebliche Rolle zu.
Sie müssten Freiwilligkeit und Beständigkeit des Suizidwunsches prüfen und den Sterbewilligen „umfassend und lebensorientiert“ aufklären. Mindestens zehn Tage nach dem Aufklärungsgespräch muss sich ein zweiter Arzt davon überzeugen, dass der Sterbewunsch „realitätsbezogen und am eigenen Selbstbild des Betroffenen orientiert“ ist. Werbung für Suizidassistenz soll mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden.
Angehörige oder nahestehende Personen würden sich dem Vorschlag zu Folge – wie bisher – nicht strafbar machen, wenn sie Hilfe zur Selbsttötung leisten. Alle anderen nicht-ärztlichen Sterbehelfern sollen dagegen bis zu drei Jahren Haft drohen. Ziel des Entwurfs sei es, den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Freiraum für selbstbestimmtes Sterben abzusichern und nicht-freiverantwortliche Suizide zu verhindern.
Ärzte können nach dem Willen der Autoren nicht zur Suizidassistenz verpflichtet werden. Doch das in den Berufsordnungen der Kammern enthaltene Verbot der Suizidbeihilfe sei „berufsethisch nicht haltbar“. Die Autoren schlagen vor, dass in einer Rechtsverordnung die nötige Qualifikation der Ärzte, Anforderungen an die Aufklärung sowie Dokumentations- und Meldepflichten festgelegt werden.
Ihr Regelungsvorschlag orientiere sich an dem Modell im US-Bundesstaat Oregon, so die Autoren. Dort ist die Suizidbeihilfe seit 1997 gesetzlich geregelt. Internationale Daten zeigten, dass es nur dort zu einem Anstieg der Fälle von Suizidbeihilfe kommt, wo klare gesetzliche Regeln fehlen – wie etwa in der Schweiz, sagt der Palliativmediziner Professor Borasio. In Oregon sei dies nicht der Fall gewesen.
Der Vorschlag der Neuregelung im Paragrafen 217 Strafgesetzbuch lasse die Grenze zum Paragrafen 216 – der verbotenen Tötung auf Verlangen – unberührt. Denn bei der Suizidbeihilfe habe der Sterbewillige selbst die Tatherrschaft inne, nimmt also zum Beispiel das tödliche Medikament selbst ein.
Der Bundestag habe nun die „zweite Chance auf ein kluges Gesetz“, so der Palliativmediziner Jox. Die vier Wissenschaftler hatten 2014 einen ähnlichen Vorschlag lanciert. Der Gesetzgeber dürfe den Bürgern „die richtige Weise zu leben und zu sterben nicht vorschreiben“, sagt der Medizinethiker Professor Urban Wiesing.
Die vier Wissenschaftler präsentieren ihren Vorschlag zu einer Zeit, in der sich immer mehr Organisationen und Verbände zu einer möglichen Neuregelung positionieren.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte erklärt, die Suizidassistenz solle durch ein „legislatives Schutzkonzept“ flankiert werden. Denn zur Selbstbestimmung gehörten auch „Lebensschutz bzw. Fürsorge“.
Auch die Evangelische Kirche schreibt Ärzten in ihrer Stellungnahme eine besondere Rolle bei der Prüfung des Suizidwunsches von Sterbewilligen zu. Vage schlägt die EKD ein „noch näher zu bestimmendes Verfahren“ vor, um zu verhindern, dass der Wunsch nach Selbsttötung durch sozialen Druck oder eine psychische Erkrankung befördert wurde. (fst)
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